Studie der Max-Planck-Gesellschaft: Milch machte Migration möglich

Wandel der Ernährungsweise in der Menschheitsgeschichte

23. September 2021

Hirtenvölker legten bereits in der Bronzezeit weite Strecken durch die eurasische Steppe zurück – vermutlich dank ihres Milchkonsums.

Vor mehr als 5.000 Jahren breiteten sich die Jamnaja, die zu den ersten Hirtenvölkern der eurasischen Steppe zählen, in Richtung der ponto-kaspischen Steppe aus. Das führte zu einem Genfluss über weite Strecken, der schließlich die Hirtenvölker in Skandinavien mit Gruppen in Sibirien verknüpfte. Bislang war unklar, wie es den Menschen während der Bronzezeit gelang, solche enormen Distanzen zurückzulegen. Eine neue Studie, unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte, liefert nun einen entscheidenden Hinweis. Nach bisherigen Erkenntnissen korrelierten die Migrationsströme mit einem Wandel in der Ernährungsweise: dem Konsum von Milchprodukten.

Die Forschenden nutzten für ihre Studie Zahnstein von den Zähnen erhaltener Skelette. Mithilfe von Zahnsteinprobenentnahmen, und der Untersuchung der darin noch erhaltenen Proteine, gelang es, die Individuen zu identifizieren, welche Milchprodukte zu sich nahmen und welche nicht. Die Ergebnisse waren überraschend. „Es bildete sich ein besonders starkes Muster ab“, erklärt die Hauptautorin der Studie Shevan Wilkin, Spezialistin für Paläoproteomik am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena. „90 Prozent der untersuchten Individuen vor der Bronzezeit zeigten keine Anhaltspunkte für Milchkonsum. Während 94 Prozent der Individuen aus der frühen Bronzezeit eindeutig Milchtrinker waren.“

Die Forschenden analysierten auch, welche Art von Milch die Hirten konsumierten: Die meisten Milchpeptide in den Proben stammten von Kühen, Schafen und Ziegen, bei einigen ließ sich sogar Milch von Pferden nachweisen. „Unsere Ergebnisse zeigen ein klares Bild“, so Nicole Boivin, Hauptautorin der Studie und Direktorin der Abteilung für Archäologie am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte. „Wir beobachten einen Übergang zur Milchwirtschaft genau zu dem Zeitpunkt, als die Hirtenvölker begannen, sich nach Osten auszubreiten.“

Welchen entscheidenden Vorteil die Milch den Hirten verlieh, muss noch weiter untersucht werden. Wahrscheinlich waren die zusätzlichen Nährstoffe sowie der hohe Protein- und Flüssigkeitsgehalt von Milch im besonders trockenen und rauen Klima der Steppe entscheidend für das Überleben. „Wir sehen hier eine Art kultureller Revolution“, sagt Shevan Wilkin. „Nachdem die frühen Hirten der Bronzezeit die Vorteile der Milch erkannt hatten, war die Steppe nie mehr wie zuvor.“

Milchwirtschaft früher
Foto: AdobeStock©Mannaggia

Max-Planck-Gesellschaft/LVN

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