Bunte Kartoffeln will niemand haben
Damit hätten diese
buntfleischigen Knollen das Zeug zu „Functional Food“, wie derartige
Lebensmittel mit gesundheitlichem Zusatznutzen bezeichnet werden, die in immer
größerer Zahl auf den Markt kommen. Ebenso könnten Kartoffeln mit erhöhtem
Selengehalt positiv auf die Gesundheit wirken und dem bei den Deutschen
verbreiteten Selenmangel gegensteuern. Dies ließe sich einfach durch eine Selendüngung
erreichen, dafür genügen bereits 20 Gramm Selen pro Hektar. Ein großer Durchbruch
ist aber nach Angaben des Landvolks Niedersachsen bei diesen Kartoffeln vorerst
nicht zu erwarten. Hindernisse bestehen nämlich sowohl bei der Akzeptanz durch
die Verbraucher als auch in gesetzlichen Regelungen. Darauf wiesen kürzlich
Experten beim 3. Norddeutschen Kartoffeltag des Kartoffelnetz e.V. in Uelzen
hin.
Nach einer Studie der
Universität Göttingen wollte kaum einer der befragten Verbraucher die blauen
Kartoffeln haben. Die ungewohnte Färbung rief offensichtlich große Skepsis
hervor. Teilweise wurden die Knollen sogar mit Gentechnik in Verbindung
gebracht, obwohl es sich um uralte südamerikanische Sorten handelt. Zudem
spielen nach Einschätzung des Göttinger Ernährungspsychologen Dr. Thomas
Ellrott andere Faktoren eine größere Rolle als der gesundheitliche
Zusatznutzen. Vorrangig nannte er Genuss und Geschmack, einfache Zubereitung
sowie den Preis. Aber auch das Verbot der gesundheitsbezogenen Werbung steht
dem Erfolg der Functional-Food-Kartoffeln im Wege. Daran seien bereits die
Selenkartoffeln gescheitert, die vor zwei Jahren per einstweilige Verfügung vom
Markt genommen werden mussten. Änderungen werden erwartet von der neuen
Health-Claim-Verordnung, die ab 2010 genau regelt, welche Aussagen zulässig
sind. Krankheitsbezogene Angaben werden aber auch dann nur nach strenger
Einzelfallprüfung möglich sein.
Zweitrangig ist der
gesundheitliche Zusatznutzen auch für den Lebensmitteleinzelhandel, wie Jens
Gabriel von der Edeka Minden-Hannover verdeutlichte. Kartoffeln seien der
drittwichtigste Bereich in den Obst- und Gemüseabteilungen, es komme jedoch
vorrangig darauf an, den Verbrauchern den Grundnutzen der Kartoffeln zu
vermitteln. Dazu müsse das Image wesentlich verbessert werden: „Die Kartoffel
muss raus aus dem Keller“, so Gabriel. Wenn es nicht gelinge, den Verbraucher
auf diesem Weg mitzunehmen, werde ein gutes Basisprodukt abgewertet. Gabriel erwartet
ab dem Jahreswechsel den schärfsten Marktverteilungskampf aller Zeiten im Discountbereich,
dabei werde die Kartoffel eine Schlüsselrolle spielen.
Die obigen Ausführungen
zeigen durchaus Parallelen zur Vermarktung von Milchprodukten. Nicht, dass blaue Milch in
Zukunft der Renner auf dem Milchmarkt sein soll. Aber es wird deutlich, dass es
auch in anderen Lebensmittelbereichen nicht einfach ist, das Bewusstsein für
die Grundqualitäten oder gar den gesundheitlichen Zusatznutzen bestimmter
Produkte ins rechte Licht zu rücken. Auch wenn die Milch einen Vorsprung beim
„Gesundheitsimage“ haben sollte, kann man darauf nicht als unumstößliche
Tatsache vertrauen.
Notwendig ist vielmehr eine
nachhaltige und öffentlichkeitswirksame Aufklärungsarbeit, wie sie die Landesvereinigung
der Milchwirtschaft leistet. Und die Health-Claim-Verordnung ist auch für die
Milchwirtschaft eine Herausforderung.
LPD/LVN
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