Kieler Milchtag – Kurzdarstellung einiger Beiträge
Bei der Identifizierung neuer und ernährungsphysiologisch wertvoller Milchinhaltsstoffe geht es oft um Substanzen, die von der Grundstruktur bekannter Verbindungen abweichen, den Derivaten. So kann aus β-Casein z.B. β-Casomorphin gebildet werden, ein Stoff, dem magen- und darmregulierende und immunstimulierende Eigenschaften zugeschrieben werden. Ein Teilziel der Arbeiten im FoCus-Projekt ist die genetische Identifizierung neuer und wertvoller Milchinhaltsstoffe. Über Forschung zur Bildung von bioaktiven Peptiden aus den genetischen Proteinvarianten berichtete Dr. Jens Tetens, CAU. Möglicherweise könnte das Problem der Milcheiweiß-unverträglichkeit bei zwei bis drei Prozent der betroffenen Säuglinge über spezielle Proteinvarianten gelöst werden. Im Rahmen von FoCus wurde bereits ein neues in-vitro entzündungshemmendes (Milch-)Peptid entdeckt, so Tetens.
Qualität und Sicherheit von Milch und Milchprodukten
Zur Qualitätsbestimmung von Milch wird unter anderem deren Keimzahl bestimmt. Hier hat sich kürzlich das in der Milchgüteverordnung verankerte Umrechnungsverfahren geändert. Dr. Hans-Georg Walte, MRI, berichtete über die Änderung im Rahmen des „Bactoscan“-Verfahren, insbesondere über Ansätze zur Berechnung der Keimzahl mit deren Hilfe Bactoscan-Ergebnisse zum Koch’schen Plattenverfahren ins Verhältnis gesetzt werden. Mit dem Bactoscan lassen sich nun Keimzahlen ab 5.000 KbE/ml (koloniebildende Einheit/Milliliter) detektieren. Durch die neue Umrechnung sind geringe Veränderungen in dem Keimzahlniveau unter 30.000 KbE/ml zu erwarten. Dies macht, laut Walte, aber in der Praxis einen vernachlässigbaren Unterschied in der Qualitätseinstufung nach der Milchgüteverordnung aus. Vergleichsmessungen aus Bayern zeigen, dass es in der Güteklasse I nur 0,1 Prozent und in der Güteklasse S nur 1,5 Prozent Abweichungen gegenüber dem alten Verfahren gibt, dies deckt sich mit Ergebnissen aus Schleswig-Holstein. Bakteriophagen können erhebliche Fermentationsprobleme in Molkereien verursachen. Dr. Horst Neve, MRI, widmete sich speziell der Thermoresistenz dieser bakteriellen Viren. Drei Forschungsprojekte befassen sich mit der Identifizierung der Phagen, ihrem Nachweis und ihrer Inaktivierung zur Minimierung der Phagenproblematik. Mit einer herkömmlichen Pasteurisierung ist den meisten Phagen nicht beizukommen, bei 80 °C (5 min) überlebten immer noch 41 Prozent der untersuchten Phagen, bei 95 °C noch vier extrem thermoresistente Phagen. Daher ist eine phagenfreie Produktion in der Molkerei nicht immer zu gewährleisten. Minimieren lassen sich Phagen in Molke um bis zu 4 Log-Stufen auch über ein Membranseparationsverfahren, das an der Universität Hohenheim in Zusammenarbeit mit dem MRI am Standort Kiel entwickelt wurde. Um Sicherheit über diese Prozesse zu erlangen, brauchen die Anwender einen molekularen Schnelltest, mit dem, so Neve, hochspezifische Genomabschnitte der Problemphagen amplifiziert werden und der ihre Detektion ab ca. 1000 Phagen pro ml Molke ermöglicht.
Die Wirkung der Kurzzeiterhitzung und -abtötung von Tuberkuloseerregern war Vortragsthema von Dr. Philipp Hammer, MRI. Die im Codex Alimentarius festgeschriebenen Pasteurisierungsbedingungen für Milch
(72 °C, 15 s) basieren, so Hammer, auf Forschungsergebnissen aus den 1950-60iger Jahren. Ziel war die Reduktion pathogener Erreger, vor allem von Tuberkuloseerregern (z.B. Mycobacterium tuberculosis) sowie von Coxiella burnetii (Erreger des Q-Fiebers), um wenigstens 99,999 Prozent (5 log-Stufen). Unter Verwendung moderner, praxisrelevanter Erhitzungstechnik sowie entsprechender Nachweismethoden hat seine Arbeitsgruppe nun nachweisen können, dass Mycobacterium caprae (beteiligt an seit einigen Jahren auftretenden Fällen von Rindertuberkulose in Süddeutschland) bei den oben aufgeführten Erhitzungsbedingungen sogar um 18 log-Stufen reduziert wird. Sollten ähnliche Ergebnisse auch mit Coxiella burnetii zu erzielen sein, könnte die Pasteurisierungstemperatur abgesenkt und ggf. eine Milch mit naturbelasseneren Eigenschaften bei verbessertem Carbon Footprint hergestellt werden. Eine Förderung entsprechender Forschungsarbeiten, gemeinsam mit dem FLI, aus dem Innovationsprogramm der BLE sei gerade angelaufen.
Der Kieler Milchtag soll zukünftig in einem 2-Jahresturnus durchgeführt werden. Damit wurde die Tradition der Kieler Milchtag wieder aufgenommen: bereits 1929 wurden erstmals Kieler Milchforschungsergebnisse dem Fachpublikum im Rahmen einer Kieler Milchwoche vorgestellt.
MRI/LVN
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