Antibiotikaresistenzen: Erfolge interdisziplinärer Anstrengungen

27. April 2017

Antibiotikaresistenzen: Erfolge interdisziplinärer Anstrengungen

Bundesweite Strategie gegen Resistenzen
„Antibiotikaresistente Bakterien stellen eine komplexe Herausforderung dar. Deshalb setzt sich Deutschland mit der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie DART2020 nachhaltig dafür ein, die Gesundheit von Mensch und Tier zu schützen“, sagt BfR-Präsident Professor Dr. Dr. Andreas Hensel. „Im Sinne der One-Health-Strategie ist dazu interdisziplinäre Forschung durch Veterinär- und Humanmediziner sowie Molekularbiologen und Epidemiologen notwendig, wie die Verbundprojekte RESET und MedVet-Staph erfolgreich zeigen.“ In diesen For-schungsverbünden werden seit 2010 die Entwicklung, Verbreitung und auch die Mechanismen der Resistenz gegenüber bestimmten Antibiotika bei Escherichia coli und Staphylococcus aureus bei Mensch und Tier unter-sucht. An den Verbundprojekten sind neben dem BfR zahlreiche Hochschulen und wissenschaftliche Institutionen in Deutschland beteiligt.

RESET: Verbreitung der Keime in der Mast
Der Verbund RESET erforscht Resistenzen gegen die besonders wichtigen Antibiotika-Klassen der Cephalos-porine und (Fluor)Chinolone bei Darmbakterien wie Escherichia (E.) coli. Einige Stämme dieser Bakterien können Cephalosporine zerstören. Sie benutzen die Enzyme „Extended-Spektrum Beta-Laktamasen“ (ESBL) und AmpC Beta-Laktamasen (AmpC). Diese Fähigkeit können die Stämme an andere Bakterien weitergeben. Un-tersuchungen im RESET-Verbund haben ergeben, dass ESBL- bzw. AmpC-produzierende E. coli in Nutztierbe-ständen weit verbreitet sind. In allen untersuchten Betrieben mit Geflügelhaltung wurden diese Bakterien nach-gewiesen. In 85 Prozent der untersuchten Schweinemast- und Milchviehbetriebe und in 70 Prozent der Rinder-mastbetriebe treten sie ebenfalls auf. Erstmalig fanden Wissenschaftler während des Forschens E. coli und Salmonella bei Nutztieren in Deutschland, die zusätzlich Carbapeneme zerstören können. Diese Antibiotika werden in Krankenhäusern eingesetzt, um Infektionen mit multiresistenten Bakterien zu behandeln.

Schwierige Nachverfolgung der Keime
Nicht immer ist die Gabe von Antibiotika verantwortlich für das Auftreten resistenter Bakterien. ESBL- bzw. AmpC-bildende E. coli treten auch in Tiergruppen (insbesondere in Masthähnchen) auf, die nicht mit Antibiotika in Kontakt gekommen sind. Entlang der Produktionskette können die Bakterien und Resistenzgene verschleppt und in der Küche auf andere Lebensmittel übertragen werden. Offenbar erfolgt die Übertragung der Bakterien mit ihren Resistenzeigenschaften relativ selten. Allerdings können sich die Resistenzgene zwischen verschiedenen Bakterien übertragen, was ihre Nachverfolgung schwieriger macht. Es ist daher derzeit nicht möglich, die Bedeutung der Nutztiere für die Besiedelung und Infektion des Menschen mit ESBL- bzw. AmpC-bildenden Enterobakterien genau abzuschätzen.

MedVet-Staph findet MRSA bei vier von fünf Landwirten
Der Verbund MedVet-Staph widmet sich der Bedeutung der Übertragung antibiotikaresistenter Staphylokokken einschließlich der Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus-Stämme (MRSA) zwischen Tier und Mensch. MRSA besiedeln in Deutschland etwa 0,8 Prozent der gesunden Menschen in der Allgemeinbevölkerung (zumeist im Bereich der Nase oder des Rachens). Nutztierassoziierte MRSA-Typen lassen sich dabei durch die Untersuchung des genetischen Fingerabdrucks von MRSA unterscheiden, die zum Beispiel bei im Krankenhaus erworbenen Infektionen beschrieben werden. Der Koordinator des Verbundes PD Dr. med. Robin Köck von der Universität Münster sagt: „Die Ergebnisse des MedVet-Staph-Verbundes haben verdeutlicht, dass der Übertra-gungsweg zwischen Tier und Mensch unbedingt bedacht werden muss, wenn man die Verbreitung von MRSA verstehen will. Wir haben gezeigt, dass besonders der unmittelbare Kontakt zu MRSA-tragenden Nutztieren, wie er bei Landwirten oder Tierärzten besteht, ein hohes Risiko für die Übertragungen darstellt. In der Schweinehaltung tragen mehr als 80 Prozent der Landwirte den Keim.“ Nicht nur bei Nutztieren, sondern auch bei Pferden, Hunden und Katzen treten MRSA zunehmend als Erreger von Wundinfektionen auf. Die bei diesen Tieren nachgewiesenen MRSA unterscheiden sich aber von denen bei Nutztieren.

Resistenzen auch bei Reserveantibiotika
Im Rahmen des Projektes wurden nicht nur MRSA bei Nutztieren und Landwirten nachgewiesen, sondern auch andere Bakterien, wie z. B. Enterokokken und Koagulase-negative Staphylokokken, die gegenüber Substanzen, wie z. B. Linezolid oder Daptomycin, resistent sind und in der Humanmedizin als Reserveantibiotika verwendet werden. Weitere Forschungsarbeiten zum Vorkommen antibiotikaresistenter Bakterien bei Nutztieren und in Lebensmitteln, aber auch bei Haustieren und in der Umwelt sind deshalb notwendig. Der Forschungsverbund MedVet-Staph prüfte ebenfalls, in welchem Umfang tierassoziierte MRSA beim Menschen zu Erkrankungen führen. Die Häufigkeit nutztierassoziierter MRSA-Klone hat in Deutschland insgesamt zugenommen. In einzelnen Regionen mit intensiver Nutztierhaltung sind diese Bakterien für mehr als 10 Prozent der schweren MRSA-Infektionen bei Menschen verantwortlich.
Allerdings können nicht alle Nachweise beim Menschen auf den direkten Kontakt mit positiven Tieren zurückge-führt werden. Der Verbund MedVet-Staph wies nach, dass in ländlichen Regionen 38 % der Menschen, die mit nutztierassoziierten MRSA-Typen besiedelt waren, keinen direkten Kontakt zu Nutztieren hatten. Es ist daher davon auszugehen, dass die Bakterien auch über andere Wege (z. B. von Mensch zu Mensch) weitergegeben werden. Nach Forschungsergebnissen des BfR und aus Dänemark gibt es Ähnlichkeiten zwischen MRSA aus Geflügelfleisch, insbesondere Putenfleisch, und Bakterienisolaten von Menschen. Das legt nahe, dass nutztier-assoziierte MRSA in einzelnen Fällen auch über Lebensmittel auf Menschen übertragen werden können. Am BfR wurden dazu experimentelle Studien mit Hähnchenfleisch durchgeführt. Die Forscher zeigten, dass ausgehend von kontaminierten Lebensmitteln während der Verarbeitung und Zubereitung in der heimischen Küche eine Verschleppung von MRSA und ESBL-bildenden E. coli auf andere Speisen, die dann vom Menschen ohne weitere Erhitzung verzehrt werden, stattfinden kann. Allerdings scheint die Bedeutung dieses Übertragungsweges vergleichsweise gering zu sein.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert die Forschungsverbünde RESET und MedVet-Staph. Beide bestehen jeweils aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus der Human- und Tiermedizin, der Grundlagen- und der angewandten Forschung.

BfR/LVN

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