
Systemrelevante Land- und Milchwirtschaft, Lage auf dem Milchmarkt, Nachhaltigkeit auf den Höfen, Öffentlichkeitsarbeit in Corona-Zeiten und Forschung in der Antibiotikareduzierung – das waren Kernthemen der ersten virtuellen Mitgliederversammlung am 4. November 2020.
Trotz Enttäuschungen am Milchmarkt: LVN-Vorsitzende Jan Heusmann und Herbert Heyen motivieren zu regionaler Öffentlichkeitsarbeit
Ob in den sozialen Medien, im Podcast oder auf YouTube – Milchbauern spielen in der Arbeit der Landesvereinigung der Milchwirtschaft Niedersachsen e.V. (LVN) eine herausragende Rolle.
Anlässlich ihrer ersten virtuellen Mitgliederversammlung hat die LVN ihre Aktivitäten in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit und Qualitätsförderung sowie den Milchmarkt für das Jahr 2020 umfassend vorgestellt. An der Veranstaltung am 4. November 2020 nahmen rund 140 Zuschauer, darunter die Vertreter der 20 LVN-Mitgliedsorganisationen, zu denen Bauern-, Molkerei- und Gewerkschafts- sowie Verbraucherverbände gehören, sowie zahlreiche Gäste online teil.
Nachhaltigkeit auf den Höfen sichtbar machen
Über kaum ein Nahrungsmittel wird zurzeit so emotional und polarisiert debattiert wie über Milch. „Klima, Tierwohl, Nachhaltigkeit – Die Gesellschaft, insbesondere junge Menschen, hinterfragen die Milchproduktion. Lassen Sie uns die Themen der Branche gemeinschaftlich anpacken – ehrlich, offen für Gespräche und für Veränderungen – auch wenn uns der Blick auf den Markt manchmal wenig motiviert: Ja, für viele Milcherzeuger in Niedersachsen hat sich die bereits aus den Jahren 2018 und 2019 resultierende schwierige Liquiditätslage durch COVID-19 noch einmal deutlich verschärft,“ beginnt der Vorstandsvorsitzende der LVN, Jan Heusmann, seine Rede.
Corona habe gezeigt, dass Land- und Milchwirtschaft systemrelevant seien. Doch letztendlich wurden die positiven Markterwartungen an das Jahr 2020 durch die Pandemie enttäuscht. Auf den Höfen komme man an die Grenzen: ökonomisch, arbeitstechnisch und oft auch psychisch. Es sei dennoch wichtig, die fachliche Kompetenz und den hohen Standard in der Landwirtschaft sichtbar zu machen
Herbert Heyen, stellvertretender Vorstand der LVN, unterstützt diese Einschätzung: „Unser Engagement für mehr Nachhaltigkeit auf den Höfen mit Maßnahmen wie Dauergrünland, Bio-Energie und Ausbringungstechnik wird zu selten wahrgenommen. Daran arbeiten wir auch als Landesvereinigung mit unseren vielfältigen Projekten.“
Ministerin und Landvolkpräsident richten den Blick auf den Milchmarkt
„Die Milchwirtschaft ist und bleibt einer der Grundpfeiler einer erfolgreichen Landwirtschaft in Niedersachsen, dem Agrarland Nummer 1. Ich hoffe sehr, dass sich die Märkte gut weiterentwickeln, und sich die Stärken der niedersächsischen Milchwirtschaft in steigenden Erzeugerpreisen widerspiegeln“, sagt die niedersächsische Ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Barbara Otte-Kinast auf der Mitgliederversammlung der LVN.
Deutliche Worte kamen auch von Landvolkpräsident Albert Schulte to Brinke: „Der vielfach am Markt befürchtete freie Fall – ausgelöst durch die COVID-19-Pandemie – ist zwar nicht eingetreten, dennoch ist die aktuelle Situation für viele Milcherzeuger frustrierend. Die dringend für das Jahr 2020 erhoffte Marktbefestigung ist aufgrund der zeitweise staatlich verhängten Schutzmaßnahmen und den damit einhergehenden Marktverwerfungen ausgeblieben. Die finanzielle Situation vieler Milchviehbetriebe bleibt gerade in den durch Erntekosten und Pachten belasteten Herbstmonaten deutlich angespannt. Ein Lichtblick ist lediglich, dass in diesem Jahr bei den meisten Betrieben die Versorgung mit Grundfutter besser ist, als in den durch Mäuse und Trockenheit belasteten Vorjahren. Das Anlegen von Grundfuttervorräten ist für die meisten Betriebe dennoch nicht möglich gewesen.“
Lage auf dem Milchmarkt: Vorerst keine größeren Preissteigerungen zu erwarten
Die Corona-Pandemie hat die grundsätzlich positiven Marktaussichten für 2020 verändert. Der massive Markteinbruch, der von einigen Marktbeobachtern zu Beginn der weltweiten Ausbreitung der Pandemie befürchtet wurde, ist nicht eingetreten. Die im Juni, Juli und August einsetzenden Preisbefestigungen und die daraus resultierenden Auszahlungspreisanhebungen sind im Herbst in eine Seitwärtstendenz gemündet. Vorerst sind keine größeren Preissteigerungen auf den Produktmärkten zu erwarten. Vielmehr sorgen der verhängte Teil-Lockdown und die Schließungen in der Gastronomie im November 2020 für wiederholt drohende Marktverwerfungen im Foodservice-Bereich. Ähnliche Entwicklungen wie im Frühjahr dieses Jahres auf den Produktmärkten sind nicht auszuschließen, so dass die Hoffnung der Branche auf weitere Preisbefestigungen im Zuge des vorweihnachtlichen Geschäftes wahrscheinlich erneut enttäuscht wird.
Der durchschnittliche Auszahlungspreis wird nach ersten Schätzungen in einem Bereich zwischen 31,90 und 32,20 Cent/kg liegen. Damit wird das Ergebnis des Jahres 2019 deutlich unterschritten. „Leider geben die aktuellen Entwicklungen wenig Hoffnung darauf, dass das Ergebnis für die gesamten zwölf Monate des Jahres 2020 deutlich besser ausfallen wird“, mit diesen skeptischen Einschätzungen schließt Geschäftsführer der LVN Frank Feuerriegel seine Marktausführungen.
Gemeinsam mit Milchbauern: Gute Kommunikations-Ideen in Corona-Zeiten
„Flexibilität, Durchhaltevermögen und kreative Ideen sind auch in der Öffentlichkeitsarbeit gefragt, um die Zeit der Einschränkungen gut zu nutzen und das Milchland Niedersachsen auch in schwierigen Zeiten voranzubringen“, sagt Kristine Kindler, Geschäftsführerin der LVN.
Eine besondere Herausforderung sei der so wichtige Dialog mit dem Verbraucher. Die neuen Ideen der LVN, wie ein Online-Milcherlebnistag, Corona-Ferienpakete und ein Podcast sowie vielfältige Social-Media-Aktivitäten, hätten aber gezeigt, dass auch dieses möglich sei.
„Bei unseren Aktivitäten erwartet der Verbraucher weiterhin eine klare Haltung zu Themen wie Nachhaltigkeit, Ernährung, Tierwohl und Klimaschutz. Diese Kernthemen gehen wir gemeinsam mit den Milchbauern offen an. Sie sind ein wichtiger Grundstein für den Erfolg der LVN-Öffentlichkeitsarbeit.“
Antibiotikareduzierung braucht Beratung
Der Gastreferent Prof. Dr. Volker Krömker von der Hochschule Hannover beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Eutergesundheit. Jüngst widmete er sich in einem von der LVN geförderten Forschungsvorhaben der „Reduktion des Antibiotikaeinsatzes in der niedersächsischen Milchwirtschaft“. Sein Fazit: „Wenn sich Betriebe erstmals mit modernen Therapiekonzepten kritisch auseinandergesetzt haben und anfangen, einzelne Sparmaßnahmen von Antibiotika gezielt in ihr Herdengesundheitsmanagement zu integrieren, bleiben sie auch mit hoher Wahrscheinlichkeit dabei.“
Sowohl persönliche Beratung auf den Betrieben als auch Veranstaltungen für Landwirte müssten umfassender und öfter angeboten werden, um Zweifel und Ängste nehmen zu können und Fragen sowohl mit Fachkenntnissen als auch Erfahrungswerten aus der Praxis beantworten zu können. Auch der Austausch unter Landwirten könne hierzu entscheidend beitragen, da ein großes Interesse an Hofbesuchen mit implementierten Therapiekonzepten bestehe.
Wahlen, Prüfungen und Finanzpläne
Im weiteren Verlauf der Tagesordnung berichtete Torben Lange von der NWPG Treuhand GmbH – Wirtschaftsprüfungsgesellschaft über die Prüfung der Jahresrechnung und der Jahresabschlüsse für das Rechnungsjahr 2019 mit uneingeschränkt erteiltem Bestätigungsvermerk. Rechnungsprüfer Fred Akenberg informierte über eine beanstandungsfreie Kassenprüfung. Die Genehmigung der Jahresrechnung und des Jahresabschlusses erfolgten ebenso einstimmig wie die Entlastung des Vorstandes und der Geschäftsführung. Als Kassenprüfer für das Jahr 2021 wurde Olaf Scherf im Amt bestätigt und Hartmut Börger neu gewählt. Weiterhin sprach sich die Mitgliederversammlung einstimmig für die erneute Beauftragung der NWPG Treuhand GmbH betreffend der Prüfung der Jahresrechnung 2020 aus.
Einen umfassenden Überblick über die Umlageverwendung 2021 gab im Anschluss Kristine Kindler. Dabei ging sie auf die Einnahmen- und Ausgabensituation des Umlageverwendungsplans sowie des LVN-Wirtschaftsplans (institutionelle Förderung) ein. Sie berichtete über die einzelnen Titelansätze und die daraus zu finanzierenden Maßnahmen. Im Jahr 2021 würden auf Basis von 6,2 Mio. t Anlieferungsmilch gut 2,79 Mio. Euro Umlage, bei einem Hebesatz von 45 Cent/t, aufkommen. Der vorgelegte Umlageverwendungsplan und der Wirtschaftsplan für das Haushaltsjahr 2021 wurden von der Mitgliederversammlung einstimmig genehmigt. Er wird als Vorschlag bei der Bewilligungsbehörde eingereicht.
Daten und Fakten können im statistischen Teil des aktuellen LVN-Jahresberichtes 2019/2020 abgerufen werden.
Eindrücke unserer Mitgliederversammlung 2020
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