Dialog statt „Bauernregeln“ | Ministerin stoppt Kampagne und entschuldigt sich per Video
Im Umweltministerium wird eingeräumt, dass man mit der heftigen Kritik an den „Bauernregeln“ nicht gerechnet habe. Dem Vernehmen nach wird sich Ressortchefin Dr. Barbara Hendricks für den von vielen Landwirten als herablassend empfundenen Ton der Bauernregeln öffentlich entschuldigen. Man stehe aber weiter zu den Inhalten der Reime und damit zur Kritik an Defiziten in der derzeitigen Landwirtschaft. Daher bleibe es zugleich bei der Forderung nach einem Umbau der EU-Agrarförderung.
Das Bundesumweltministerium werde den Dialog durch Angebote im Internet, über soziale Medien und über eine Reihe von Veranstaltungen mit der Ministerin führen, kündigte ein Ressortsprecher an. Man brauche eine sachlich geführte Debatte darüber, „wie wir uns die Landwirtschaft der Zukunft in unserem Land vorstellen“. Nur im gesellschaftlichen Dialog über unbestreitbare Probleme könne man gemeinsam zu tragfähigen Lösungen finden.
Mit den Bauernregeln habe man Aufmerksamkeit erzielen und den Dialog anregen wollen. Das sei gelungen. Die Regeln hätten das Thema Landwirtschaft und Naturschutz auf humorvolle Weise ins Gespräch gebracht, „schneller als erwartet“. Jetzt gehe es um den zweiten Schritt: „Wir wollen die erzielte Wachsamkeit für das Thema für einen konstruktiven Dialog nutzen.“ Dazu bedürfe es keiner weiteren Bauernregeln mehr. Bundesumweltministerin Hendricks stelle sich der Kritik von Bauern und den Fragen von Verbrauchern. AgE
Ministerin Hendricks entschuldigt sich mit Onlinevideo auf YouTube. Das Statement vom 9. Februar 2017 im Wortlaut: „In den letzten Tagen hat sich eine überwältigende Anzahl von Menschen über alle Kanäle bei mir zur Kampagne „Gut zur Umwelt. Gesund für alle.“ gemeldet. Heute möchte ich aber vor allem zu Ihnen, den Landwirtinnen und Landwirten, sprechen, die vielfach mit Ablehnung und mit Empörung auf die Kampagne reagiert haben. Viele von Ihnen geben mir Recht darin, dass sich etwas ändern muss in der Art und Weise, wie wir in Deutschland Landwirtschaft betreiben. Gleichwohl sehen Sie sich durch die Aufmachung der Kampagne persönlich angegriffen oder sich in ihrer Berufsehre verletzt.
Das tut mir leid – mir auch ganz persönlich! – denn das war selbstverständlich niemals meine Absicht.“ Ich komme selbst aus einer landwirtschaftlich geprägten Region, aus dem Kreis Kleve am Niederrhein. Und gerade in meiner Amtszeit als Umweltministerin habe ich in den vergangenen gut drei Jahren mit zahlreichen Bäuerinnen und Bauern gesprochen, sie auf ihren Höfen besucht und ja, manchmal auch kontrovers diskutiert. Ich weiß sehr wohl, dass viele von Ihnen sehr hart arbeiten und gleichzeitig immer weniger Auskommen haben. Mir ist sehr wohl bewusst, was es für Sie bedeutet, wenn Sie für Ihre Milch so wenig Geld bekommen, dass Sie von dem Kilopreis kaum einen Liter Mineralwasser kaufen könnten. Und ich weiß aus ganz eigener Erfahrung auch, wie wichtig bäuerliche Betriebe für alle Menschen und für das Leben auf dem Land sind.
Und genau das ist doch mein Punkt: Ja, mir geht es um den Schutz unserer Umwelt und der Natur, um den Schutz von Böden, Wasser und Luft, von Pflanzen und Tieren. Und ja, ich glaube, dass wir in diesem Bereich teils große Probleme haben. Und zwar auch, weil es Fehlentwicklungen in der Landwirtschaft gibt. Aber mir geht es genauso darum, dass es nicht sein kann, dass Landwirte auf der einen Seite zu Getriebenen einer ungerechten Agrarförderung werden. Und gleichzeitig auf der anderen Seite von der Marktmacht der Lebensmittelindustrie die Preise diktiert bekommen. Beides führt dazu, dass immer mehr bäuerliche Betriebe in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten und beides führt dazu, dass Umwelt und Natur zunehmend unter die Räder eines „billiger, schneller, mehr!“ geraten.
Ich bin davon überzeugt: Über ein paar Dinge müssen wir schon reden:
Darüber sollten wir debattieren!
Was wir nicht tun sollten, ist eine Spaltung zwischen den Menschen in den Städten und den Menschen, die auf dem Land wohnen, herbeizureden. Und was wir auch nicht tun sollten, ist den Austausch von Meinungen und Erfahrungen durch eine verrohte Sprache und hemmungslose Beleidigungen – auch in den Sozialen Medien – zu vergiften.
Ich glaube wir brauchen eine sachlich geführte Debatte darüber, wie wir uns die Landwirtschaft der Zukunft in unserem Land vorstellen. Wie Sie als Bäuerinnen und Bauern sie sich vorstellen. Und wie die Verbraucherinnen und Verbraucher sie sich wünschen.
Ich unterstelle, dass wir letztendlich alle die gleichen Interessen haben: Sie als Landwirte wollen als freie und selbstbewusste Unternehmerinnen und Unternehmer im Einklang mit der Natur gute Produkte herstellen und damit ein gutes Einkommen erzielen. Das ist absolut auch im Interesse aller Verbraucherinnen und Verbraucher und auch im Interesse von Umwelt-, Natur- und Artenschutz.
Wenn wir uns darauf als gemeinsame Grundlage einigen können, dann lassen Sie uns in den Dialog treten! Gerne mit offenem Visier, deutlich in der Sache, gleichwohl mit Offenheit und mit gegenseitigem Respekt. Ich freue mich darauf!“
Quelle: Topagrar.com : https://www.topagrar.com/news/Home-top-News-Hendricks-verzichtet-auf-Bauernregeln-Plakate-7502865.html
In den letzten 10 Tagen hat die BMUB-Kampagne Landwirte und landwirtschaftlich orientierte Organisationen in jeder Beziehung „beschäftigt“: Ob auf Facebook, mit offenen Briefen an das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) oder mit Botschaften auf dem My KuhTube-Kanal – die niedersächsischen Milchbauern reagierten zahlreich und vielfältig auf die Kampagne „Neue Bauernregeln“ des BMUB. Wir möchten in diesen Aktuellen Informationen einige dialogorientierte Reaktionen unserer „Bauern als Botschafter“, die auch ab März wieder für die Initiative DIALOG MILCH in Niedersachsens Städten den Dialog mit den Verbrauchern suchen, zusammenfassen:
In einem Brief von Helmut Evers aus Wahrenholz an das BMUB hieß es:
„Es ist befremdlich, dass ein Ministerium eine Plakatierung in Auftrag gibt, um angeblich witzige Sprüche mit abfälligen Äußerungen über die Landwirtschaft zu verbreiten.
Als Landwirt und Milchbauer ist mir unverständlich, dass für solch eine Aktion 1,6 Mio. € an Steuergeldern verschwendet werden.
Sicherlich gibt es auch in der Landwirtschaft Missstände und schwarze Schafe über die geredet werden muss. Die Ernsthaftigkeit der Thematik gebietet aber eine sachliche, offene Aussprache. Beißende Ironie und übertriebene Polemik kennt man von Kabarettisten und Satirikern wie Jan Böhmermann. Darüber kann man auch schmunzeln oder lachen. Aber sollte so der Umgang eines Ministeriums und somit der Bundesregierung mit einem Berufsstand aussehen?
Wir raten der Politik und insbesondere dem Bundesumweltministerium, für einen sachlichen Dialog mit dem landwirtschaftlichen Berufsstand einzutreten, um gemeinsame Lösungen für anstehende Probleme zu finden. Finanzielle Mittel für Forschung und Informationen für Landwirte sind an dieser Stelle gefragt und gut angelegt.
Wir sind gern zu Gesprächen bereit und freuen uns darauf“.
P.S: Aber auch wir können reimen!
Spott und Ironie
dienen der Sachlichkeit eher nie.
Und mit Millionen finanziert.
Geht das wirklich ungeniert?
Kesse Sprüche- überall zu lesen.
Frau Hendricks: außer Spesen nichts gewesen!
Die Reime schlecht, der Sinn verstellt.
Wem bringt das was in dieser Welt?
Politik wird manchmal zum Verdruss,
wenn man dort redet zu viel Stuss.
Frau Hendricks ist zu nennen hier.
Ihr fehlt know-how, so meinen wir.
Schwarze Schafe überall es gibt,
auch in Landwirtschaft und Politik.
Frau Hendricks ist ein Beispiel dafür:
Für Dialog fehlt ihr wohl das Gespür!
Diffamieren mit viel Schmäh
und meinen, es tut schon keinem weh,
ist wie ein Elefant im berühmten Laden,
der denkt, es kommt schon nichts zu Schaden
Mit Kuhkomfort und NDR Musik
sind moderne Ställe keine Milchfabrik.
Ob große oder kleine Herden,
bei uns kann´s gern besichtigt werden
Amos Venema aus Jemgum postete auf Facebook so: „House of Cards“ in Berlin?
Bei der „Neuen Bauernregeln“ Kampagne geht es vielleicht um viel mehr als nur um das Thema Landwirtschaft! Viele Fragen und Auffälligkeiten stellen sich mir, je mehr ich mich mit dieser sehr schockierenden und diffamierenden Art und Weise der Kommunikation beschäftige: Warum plakatiert Frau Hendricks nur in 70 Städten und nicht auf dem Land, wenn sie die Landwirtschaft neu ausrichten möchte?
In den Ballungsräumen wohnt das größte Wählerpotential mit häufig wenig Bezug zur ländlichen Lebensart. Warum sucht Frau Hendricks nicht den direkten Dialog und lädt alle Vertreter des Naturschutzes, der Bauern und der Politik ein, um zusammen mit ihrem Ministerium ein Konzept für die Landwirtschaft 2020 zu beraten und zu entwickeln? Sie will durch ihre Kampagne bewusst eskalieren und hat offenbar gar kein Interesse mit dem Land und mit der Landwirtschaft in den Dialog zu treten. Es geht offenbar nur um Macht!
Warum ist Frau Hendricks nicht in ähnlich brutaler Art und Weise an die Öffentlichkeit gegangen bei dem VW Abgasskandal, was ihrem Bereich „Schutz der Luft“ sicher zugestanden hätte? Die Automobilindustrie war und ist anscheinend für sie als Ministerin ein zu mächtiger Gegner, der auch durch Zuwendungen während des Wahlkampfes Einfluss auf ihre Entwicklung nehmen könnte.
Um dieses komplizierte Vorgehen des Bundesministeriums für Umwelt zu begreifen, muss man sich auch die Abläufe der damaligen Koalitionsverhandlungen vor Augen führen. Die SPD wollte damals am liebsten das BMEL abschaffen und die Landwirtschaft dem Umweltressort zuteilen. Weil aber die CSU einen zusätzlichen Minister brauchte, speckte man das damalige Landwirtschaftsministerium ab und ordnete die Bereiche „Schutz von Boden, Wasser und Luft“ dem Umweltressort und den Verbraucherschutz dem Justizressort zu. Der mitgliederstärkste Landesverband der SPD sollte auf jeden Fall einen Ministerposten erhalten. Weil Frau Kraft verzichtete, kam Frau Hendricks als NRW Quote nach Berlin. Herr Schmidt wurde als „Ur-Bayer“ Landwirtschaftsminister.
Für Frau Ministerin Hendricks und ihren Staatssekretär beginnen schon jetzt die heißen Phasen des Wahlkampfes und der Kampf um den Erhalt der Macht innerhalb der Partei und der möglichen Regierung. Das „Dream-team“ will Akzente setzen und damit beim Wähler und dem Parteivolk punkten. Denn bei einer Kombination mit den Grünen ist der Ministerposten im September sehr wahrscheinlich „futsch“. Bei hoher Anerkennung oder einer Fortführung der „Großen Koalition“ besteht eher die Wahrscheinlichkeit eines neuen lukrativen Postens in der Berliner Machtzentrale. Missbraucht das „Dreamteam“ nur die „angeschlagene“ Landwirtschaft, um seine eigenen Machtgelüste zu befriedigen? Einige Parallelen zu der Serie „House of Cards“ bei Netflix lassen sich erkennen. Auch hier werden bewusst Menschen manipuliert, um andere zu schädigen und die eigene Macht zu stärken.
Diese und ähnliche Gedankenspiele gehen einem durch den Kopf, wenn man versucht, diese so außergewöhnliche und wenig verständliche „Neuen Bauernregeln“-Kampagne zu verstehen! Diese staatlich organisierte und mit Steuermitteln finanzierte Kampagne ist und bleibt ein Schlag ins Gesicht für den ländlichen Raum. Daran ändern auch die wiederholten Erklärungsversuche der beiden nichts! Die Ministerin und ihr Team müssen sofort diese populistische „Plakataktion“ stoppen und sollten mit ihren Rücktritten die Verantwortung für solche haltlosen und diffamierenden Methoden der Meinungsmache übernehmen!
Trumpismus gehört nicht nach Deutschland! Landwirte stehen für Dialog und leben für den ländlichen Raum! Vor dieser Aktion wären wir Landwirte gerne bereit gewesen mit dem Bundesministerium für Umwelt über die Zukunft der nachhaltigen Landwirtschaft zu reden.“
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„Anita aus dem Oldenburger Münsterland“ hat ihre ganz persönliche Botschaft zum Thema „Neue Bauernregeln“ in einem Video auf https://www.mykuhtube.de/portfolio/anita-aus-dem-oldenburger-muensterland-12/ formuliert.
Vielfältig und kreativ waren auch die Reaktionen der Medien. Hier nur stellvertretend ein Link aus der Fülle von Berichten: https://www.zdf.de/politik/frontal-21/satire-toll-100.html
Politiker aller Parteien äußerten ihre Kritik. Aus den eigenen Reihen von SPD-Ministerin Barbara Hendricks lautet es z.B.: „Inhaltlich besteht kein Dissens zur Ministerin. Die Frage ist, wie man mit den Bauern umgeht. Das veraltete Stilmittel der ‚Bauernregeln' wird ohne jeden Instinkt im Umgang mit einem hochprofessionellen und hochmodernen Berufsstand eingesetzt.“ so Dr. Wilhelm Priesmeier, Agrarsprecher, SPD-Bundestagsfraktion.
Einige Hintergrundinfos zur Kampagne des BMUB sowie einen Bericht über die Arbeit der „Bauern als Botschafter“ auf der IGW in Berlin finden Sie auch auf www.dialog-milch.de.
Fazit der Ereignisse der letzten Woche:
Dem ist nichts mehr hinzu zu fügen! Die Initiative DIALOG MILCH heißt sie herzlich willkommen!
LVN/Licher/Kindler
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