LVN-Interview

27. Juni 2018

LVN-Interview zum Thema „Entwicklung der Fett- und Eiweißbewertung“

Die Originalversion in etwas ausführlicherer Form stellen wir heute in unseren Aktuellen Informationen zur Verfügung:

1. Seit Monaten sind die Butterpreise auf hohem Niveau, die Preise für Magermilchpulver liegen am Boden. Bezahlen die Molkereien Milchfett und Milcheiweiß noch zeitgemäß?
Das Thema ist in Niedersachsen in den Gremien der Landesvereinigung intensiv diskutiert worden. Angeschoben wurde die Diskussion gleichermaßen durch die Molkereien und Landwirte. Tatsächlich ist es so, dass die Erlösverbesserungen seit Mitte 2016 stark fettgetragen sind.
Die gute Erlössituation aus der Butterverwertung liefert seit Monaten einen gewichtigen Beitrag. Der steigende Absatz bei den meist recht hochpreisigen butterbasierten Mischstreichfetten, der Trend zu fetthaltigeren Milchprodukten und Käsen trägt zu dieser Situation ebenfalls maßgeblich bei. Auch wenn das Magermilchpulver seit Monaten zu Tiefstwerten notiert wird, kann Milcheiweiß im Käse oder auch in den neuen Trendprodukten wie z. B. den „proteinangereicherten Produkten“ je nach Produktsegment einen positiven Verwertungsbeitrag leisten.
Man muss die Gemengelage sehr differenziert betrachten.
Betrachtet man ausschließlich die Verwertungsbeiträge, die aus der Butter- und Magermilchpulververwertung kommen, so kann man in den letzten zwei Jahren schon eine Trendumkehr feststellen. Während über viele Jahre der Erlösanteil aus der Butter bei ca. 30 Prozent lag, war rein rechnerisch der Anteil aus der Magermilchpulververwertung bei über 60 Prozent. Die Bewertung von Fett zu Eiweiß wurde deshalb vielfach in einem Verhältnis von 1:2 vorgenommen. Betrachtet man diese beiden Verwertungen seit 2016, so hat sich dieses Verhältnis mittlerweile deutlich verschoben.

2. Welche Anpassung wäre sinnvoll? Wie können Genossenschaften bzw. Privatmolkereien die Bezahlung der Milchinhaltsstoffe ändern?
Eine große niedersächsische Molkerei hat bereits reagiert und Anpassungen in der Fett- und Eiweißbezahlung vorgenommen. Die bisher festen Fett- und Eiweißkorrekturwerte werden dort an den Grundpreis gekoppelt. D.h. bei einem insgesamt höheren Grundpreis steigen auch die Korrekturwerte an. Gleichermaßen werden die Werte verringert, wenn der Grundpreis sinkt. Am Verhältnis der Korrekturwerte zueinander ändert sich in diesem System zunächst noch nichts. Der Vorteil hierbei ist, dass durch diese Anpassung die tatsächliche durchschnittliche Verwertung der Milch und damit der Inhaltsstoffe Fett und Eiweiß widergespiegelt wird. In Zeiten guter Nachfrage und guter Verwertung und höherem Milchauszahlungspreis profitieren Betriebe mit eher überdurchschnittlichen Inhaltsstoffen, während in schwachen Marktphasen Betriebe mit unterdurchschnittlichen Milchinhaltsstoffen weniger stark durch Korrekturen belastet werden. Es werden somit je nach Verwertungslage „zarte Anreize“ gesetzt, auf Erzeugerebene Einfluss auf die Inhaltsstoffgehalte zu nehmen.
Verstärkt würde dieser Anreiz, wenn man in dieser Bewertung zusätzlich noch den Verwertungsanteil der Inhaltsstoffe miteinfließen lässt. Die bisherige Gewichtung von Fett und Eiweiß liegt bei vielen Molkereien im Verhältnis 1:2. Um kurzfristigen Entwicklungen und Trends nicht ständig mit erneuten Anpassungen begegnen zu müssen und auch eine gewisse langfristige Planungssicherheit zu erhalten, könnten wir uns vorstellen, die Verwertungsanteile von Fett und Eiweiß (anhand der Bruttoerlöse aus Butter und Magermilchpulver) über einen Betrachtungszeitraum mehrerer Jahre als rollierendes Mittel zu bewerten. Beide Maßnahmen miteinander verknüpft, würden geeignet sein, validere Marktbewertungen – sowohl im Hinblick auf den Wert der Inhaltsstoffe als auch auf die Wertschöpfung aus der Rohmilch – weiterzugeben. Laut ersten Informationen plant die angesprochene Molkerei zum 01. Juli 2018 genau dies zu machen. Die Gewichtung in der Bewertung von Fett und Eiweiß wird dort auf ein Verhältnis von 1:1,5 verändert.

3. Ließen sich so auch Preissignale schneller an die Landwirte weitergeben? Mit welchem Effekt?
Preissignale werden meines Erachtens eher durch Börsennotierungen, Entwicklungen auf den Kassamärkten und Marktberichterstattungen wiedergegeben. Über die Korrekturwerte hat man Möglichkeiten die Bezahlung der „wertgebenden Milchinhaltsstoffe“ zu gewichten. Dies kann je nach Verwertungsschwerpunkten molkereiindividuell erfolgen. Zur Weitergabe von Preissignalen eignet sich das Instrument der Korrekturwerte nur bedingt. Vielmehr handelt es sich hierbei um ein Instrument, mit dem man die Bewertung und Bezahlung der Milch steuern kann. Es können Anreize geschaffen werden, die auf Erzeugerebene gegebenenfalls mittel- oder langfristig Anpassungen nach sich ziehen.

4. Wie können Landwirte kurz- und mittelfristig die Milchinhaltsstoffe und somit den Milchpreis beeinflussen?
Ich vermute, dass Veränderungen an den Korrekturwerten eher geeignet sind, mittelfristige Entwicklungen zu beeinflussen. Letztendlich ist der Auszahlungspreis der Molkereien ein Ergebnis aus Erlösen unterschiedlichster Verwertungen. Vielfach liegen diesen Verwertungen verschiedenste Kontrakte zugrunde, die teilweise kürzere oder auch längere Laufzeiten beinhalten. Die durchschnittliche Verwertung aus den Inhaltsstoffen kann trotz eines „Marktabschwungs“ noch gut sein, da die Erlösbeiträge aus Kontrakten stammen, die in einer guten Marktphase geschlossen wurden, in der die Inhaltsstoffe somit ebenfalls noch hoch bewertet wurden. Milcherzeuger werden also dann reagieren, wenn es grundlegende, sich verfestigende Trends gibt. Trotzdem sind die Möglichkeiten auf Erzeugerebene begrenzt. Während der Milcheiweißgehalt stärker von der Genetik abhängig ist und somit für die kurzfristige Reaktion nahezu ausscheidet, ist das Milchfett in gewissem Umfang durch die Fütterung zu beeinflussen. Werden auf Grundlage sich verfestigender Marktanalysen die Korrekturwerte für Fett erhöht, so kann der Milcherzeuger, sofern es betriebswirtschaftlich sinnvoll ist, durch ein umsichtiges Umsteuern in der Fütterung versuchen, eine Anpassung in Richtung höherer Milchfettgehalte vorzunehmen. Da dies zur Folge hat, dass die Milchleistung etwas sinkt, hängt es von der einzelbetrieblichen Bewertung ab, ob der über den Korrekturwert geschaffene Anreiz die Reduktion in der Milchleistung kompensiert.

LVN

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