Niedersachsen will Lebensmittelverschwendung bekämpfen

24. September 2015

Niedersachsen will Lebensmittelverschwendung bekämpfen

Gleichzeitig hungern weltweit nach Schätzungen der FAO mehr als 900 Millionen Menschen. Die Verluste verzehrgeeigneter Lebensmittel stellen neben moralisch-ethischen Aspekten auch aus Umweltperspektive ein zentrales Problem dar. Mit der Erzeugung und Verarbeitung von Lebensmitteln gehen gravierende Umweltbelastungen einher, die durch Verringerung der Verlustraten deutlich gesenkt werden könnten.

Seitens des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft wurde 2012 eine Studie zu Lebensmittelabfällen in Deutschland veröffentlicht. Diese zeigte auf, dass jährlich pro Kopf ca. 82 kg Lebensmittel in den privaten Haushalten zu Abfall werden.

Am 10.09.2015 trafen sich in Hannover Wissenschaftler und Akteure aus der gesamten Lebensmittelbranche zu einer Tagung mit dem Titel „Nein zur Lebensmittelverschwendung! Wertschätzen statt wegwerfen.“ Unter der Schirmherrschaft des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (ML) hatten die Marketinggesellschaft der niedersächsischen Land- und Ernährungswirtschaft e.V. und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE), Sektion Niedersachsen sieben namhafte Referenten zu verschiedenen Aspekten von Lebensmittelverschwendung eingeladen.

Schon in seinem Grußwort betonte Prof. Dr. Dr. Michael Kühne vom ML, dass diese Veranstaltung als Auftakt zu einer Reihe von Maßnahmen gegen Verschwendung von Lebensmitteln zu sehen ist. So soll ein Runder Tisch in Niedersachsen auch in der Zukunft die Beteiligten zusammen bringen, um gemeinsam gegen das Problem vorzugehen. Kühne erläuterte, dass sich auch auf Bundesebene eine Kampagne mit dem Thema beschäftige. Neben dem Ziel in der Bevölkerung ein stärkeres Bewusstsein für das Problem zu schaffen, werde als erster Schritt bei der Verschwendung im Bereich der Großverbraucher, also der Außer-Haus-Verpflegung angesetzt. Eine weitere wichtige Rolle komme der Ernährungsbildung zu.

Die Bedeutung der Ernährungsbildung von Kindern und Erwachsenen für einen wertschätzenden Umgang mit Lebensmitteln wurde in mehreren Vorträgen deutlich. So berichtete Prof. Dr. Silke Bartsch von der Pädagogischen Hochschule in Karlsruhe sehr eindrücklich von ihren Erfahrungen in der Ausbildung junger Menschen im  Fach Hauswirtschaft. Auch Slow Food will mit seinen Konzepten für Schulen, Landwirte und Verbraucher über die Vermittlung von Wissen zur Herkunft die Wertschätzung der Lebensmittel stärken. Elisabeth Brunkhorst vom niedersächsischen Landfrauenverband betonte ebenfalls die Wichtigkeit von Ernährungsbildung und forderte die Einführung eines Schulfachs „Alltags- und Lebensökonomie“ in allen Schulformen. Sie erhielt dafür sowohl Beifall aus dem Publikum als auch später große Zustimmung von Klaus Müller, dem Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands in seinem leidenschaftlichen Plädoyer für eine Einbindung von Ernährungsbildung als prüfungsrelevanten Inhalt in das Kurrikulum.

Über die Umweltbelastungen durch Lebensmittelverschwendung referierten Jacob Fels von der Universität Witten/Herdecke und Tanja Dräger de Teran von WWF (World Wildlife Fund). Hier sollten besonders der Flächen- und Wasserverbrauch sowie die CO²-Emissionen, Versauerung der Böden und Eutrophierung der Gewässer genannt werden, die durch Lebensmittelverschwendung unnötigerweise entstehen. Als Lösungsvorschläge wurden hier die Reduzierung der unnötigen Verschwendung sowie eine Ausrichtung der Ernährung auf Nachhaltigkeitsaspekte genannt.

Sehr konkret stellte Dagmar von Cramm nachhaltiges Essen und Trinken vor, indem sie über einzelne Lebensmittelgruppen referierte. Als Food Journalistin und Ernährungsexpertin hat sie sich unter anderem in einem Kochbuch mit nachhaltigem Essen und Kochen beschäftigt.
Dr. med. Thomas Ellrott von der DGE wies auf das Problem der „XXL-Verpackungseinheiten“ hin, die den Verbraucher immer wieder vor die missliche Wahl stellt: Übergewicht oder Lebensmittelverschwendung.

Auch Eva-Maria Dörr von der real SB-Warenhaus GmbH begeisterte das Publikum durch einen sehr praxisnahen Vortrag über die Maßnahmen Ihres Handelskonzerns gegen die Verschwendung von Lebensmitteln.

Als Ergebnis der sich anschließenden Diskussionsrunde kann festgehalten werden, dass es zu dem Thema noch weiterer Forschung bedarf und einheitliche Definitionen bisher fehlen. Wichtig sei es, nicht nur in Niedersachsen, sondern auch auf Bundes- oder EU-Ebene, dass alle Beteiligten – von der Erzeugung, über die Industrie, die Logistik, den Handel und den Verbraucher – gemeinsam an Lösungen zu diesem sehr emotionalen Thema arbeiten.
LVN/Möhring

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