Thünen Working Paper 86

15. Februar 2018

Thünen Working Paper 86 zur „Klimaanpassung in Land- und Forstwirtschaft“

Ziel des Workshops und der Umfrage war, den Stand des Wissens zu Klimaanpassungsthemen in der Ressortforschung des BMEL und die zukünftigen Herausforderungen einer Anpassung an den Klimawandel in der deutschen Land- und Forstwirtschaft zu analysieren.

Die deutsche Land- und Forstwirtschaft ist von primären Klimafolgen wie stetig steigenden Durchschnittstemperaturen, veränderten Niederschlagsmustern und immer häufiger auftretenden, regional und saisonal sehr unterschiedlich ausgeprägten Extremwetterereignissen betroffen. Zudem führen sekundäre Klimafolgen wie ein erhöhter Schaderreger- und Infektionsdruck, Probleme bei der Bekämpfung von Schadnagern in Land- und Forstwirtschaft, eine Verschiebung der Vegetationsphasen oder eine Änderung der Produktqualität zu höheren Anbau- und Produktionsrisiken. Viele ertragswirksame Faktoren wie z. B. steigende Ozon-Konzentrationen und deren Interaktion mit Schädlingsbefall und Extremwetterereignissen sind noch weitgehend ungeklärt. Der CO2-Düngeeffekt, höhere Temperaturen und die Verlängerung der Vegetationsperiode bieten aber auch Chancen für die deutsche Landwirtschaft, vor allem für den Pflanzenbau. Im Vergleich zu anderen Regionen der Welt werden die Produktionsbedingungen in Mitteleuropa voraussichtlich auch künftig stabil und günstig für den Pflanzenbau bleiben. Damit verbunden sind Möglichkeiten, stabil hohe und ggf. höhere pflanzenbauliche Erträge zu erzielen und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft an den Weltagrarmärkten zu verbessern.

Zum Teil kann durch eine Anpassung der Produktionssysteme von Kulturpflanzen und in der Tierhaltung mit relativ einfachen Maßnahmen auf Klimaänderungen reagiert werden. Es werden jedoch weitere Maßnahmen und vor allem auch Strategien für den Umgang mit Klimafolgen und Extremwetterereignissen benötigt. Insgesamt wird eine regionalspezifische Ausrichtung der Produktionssysteme immer wichtiger.

Im Forst ist es von essentieller Bedeutung, die am besten an die zukünftigen Klimabedingungen einzelner Standorte angepassten Baumarten und Herkünfte zu identifizieren und in die Bestände zu integrieren. Parallel dazu sollte die Identifizierung der genetischen Grundlagen einzelner Resistenz und Toleranzmerkmale gegenüber abiotischen und biotischen Schadfaktoren verstärkt erforscht und die Ergebnisse für die gezielte Züchtung resistenter Bäume genutzt werden.

Für den Ackerbau werden angepasste und tolerante Sorten sowie Ertragsmodelle benötigt, die sowohl Schäden durch Extremwetterereignisse als auch durch Schaderreger vorbeugen, aber auch positive Faktoren und Interaktionen nutzen können. Die Modelle werden auch als Grundlage der Bewertung von Risikomanagementsystemen benötigt. Zudem besteht Bedarf an der Entwicklung von (digitalen) Entscheidungshilfen für den bestmöglichen und effektivsten Düngezeitpunkt, eine gezielte Bewässerung oder auch die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. Anpassungsmaßnahmen sollten anhand ihrer Kosten und Nutzen aus ökonomischer, ökologischer und gesellschaftlicher Sicht bewertet werden. Um Handlungsempfehlungen zum Anbau einzelner Kulturen an verschiedenen Standorten erarbeiten zu können, ist neben der wissenschaftlichen Analyse der Risiken ebenso die weitere Erforschung der Chancen, die sich durch die erwarteten Klimaänderungen ergeben könnten, erforderlich.

In der Tierhaltung ist neben den Folgen eines steigenden Krankheitsdrucks eine ganzheitliche Betrachtung unter Einbeziehung aller auf die Tierhaltung wirkender Faktoren, insbesondere von Vektoren und Kleinsäugerreservoiren, notwendig. Dabei bedarf es auch der Erforschung von Stallsystemen, die sowohl dem Tierwohl unter zukünftigen Klimabedingungen als auch den gesellschaftlichen Ansprüchen genügen. Die Möglichkeiten einer erhöhten genetischen Variabilität für resilientere [belastbarerer] Tierbestände, vor allem in der Milchviehhaltung, sollten näher erforscht werden. Die Auswirkungen von Klimaänderungen, negativer wie auch positiver, müssen auch im Hinblick der Futtermittelgrundlagen für die Tierhaltung unter Einbezug des globalen Marktes und des Futterwerts betrachtet werden. Dabei ist auch die Futterqualität des Grünlands zu berücksichtigen. Grünlandflächen sollten hinsichtlich ihrer Bedeutung für Klimaanpassungsmaßnahmen, wie z. B. Hochwasserschutz, neu bewertet werden.

Im Sonderkulturbereich stellt die langfristige Abwendung der Kombination abiotischer und biotischer Schäden die größte Herausforderung dar. Dabei stellen die Identifizierung resilienter Anbausysteme sowie die Bereitstellung resistenter und toleranter Sorten wichtige Forschungsfelder dar. Auch die Entwicklung von Konzepten für den integrierten Pflanzenschutz sowie die Erforschung möglicher Antagonisten für den Einsatz als Nützlinge gegen etablierte und potenzielle Schädlinge und anderer nichtchemischer Pflanzenschutzverfahren muss zukünftig prioritär behandelt werden.

Da in anderen Regionen der Welt im Vergleich zu Mitteleuropa wesentlich gravierendere, negative Folgen des Klimawandels zu erwarten sind, sollte die internationale Tragweite der Folgen des Klimawandels auf die Land- und Forstwirtschaft und auf die Ernährungs- und Versorgungssicherheit stärker in den Fokus gerückt werden. Die für Mitteleuropa entwickelten Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel sollten daher auch auf ihre Übertragbarkeit und ihre Relevanz für andere Regionen der Welt hin geprüft werden.

Thünen-Institut

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