Trennung von Kuh und Kalb nach der Geburt

Aktueller My KuhTube Film 698 greift kontroverses Thema auf

07. Mai 2021

Über das Thema Kuh-Kalb-Trennung wird in der Öffentlichkeit oft kontrovers diskutiert.

Die ersten gemeinsamen Stunden und Tage sind bei den Menschen prägend für die Beziehung zwischen Mutter und Kind. Diesen Umgang mit dem eigenen Nachwuchs überträgt die Gesellschaft auch auf die Tierwelt – und sieht deshalb die in der landwirtschaftlichen Praxis weitgehend übliche Trennung von Kuh und Kalb schon kurz nach dem Abkalben kritisch. In der betrieblichen Praxis haben Milcherzeuger jedoch gute Gründe, die für dieses Vorgehen sprechen.

Die überwiegend ablehnende Haltung der Gesellschaft wird in einer Studie deutlich, bei der sich rund 83 Prozent der Befragten in Deutschland gegen eine frühzeitige Trennung von Kuh und Kalb aussprachen (Busch et al., 2017). In einer Pressemeldung der Universität Göttingen vom 27.03.2017 heißt es unter Bezug auf die Studie: „44 Prozent der Befragten fanden es schwierig, Argumente für oder gegen die Trennungspraktik zu bewerten, bevorzugten aber eher eine spätere Trennung. 39 Prozent befürworteten deutlich eine spätere Trennung, etwa 18 Prozent sprachen sich für die heute übliche frühe Trennung aus.“ (Anonym, 2017).

Auch wenn die frühe Trennung von Kuh und Kalb gute Gründe hat und deswegen in der Praxis vorherrscht, suchen einige Betriebe nach Alternativen, um die gesellschaftliche Akzeptanz zu erhöhen.

Schwarz-buntes Kalb liegt im Stroh
Foto: AdobeStock©stylefoto24

Was spricht gegen die frühe Trennung?

Einige Milchviehhalter testen Verfahren, bei denen die Kälber länger bei ihren Müttern bleiben. Nach den in der Praxis bisher gesammelten Erfahrungen können damit einige positive Effekte verbunden sein. Dazu gehört zunächst ein weitgehend artgemäßes Verhalten von Kuh und Kalb. Ebenso werden in dem Merkblatt des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FIBL) höhere Gewichtszunahmen der Kälber in der Saugphase, ein früheres Erstkalbealter sowie eine höhere Milchleistung in der ersten Laktationsperiode als mögliche Vorteile genannt.

Auch ein besseres Sozialverhalten der so aufgezogenen Tiere, eine tendenziell bessere Eutergesundheit der Mutterkühe und deren insgesamt höhere oder zumindest gleich hohe Milchleistung im Vergleich zu Kühen, die ausschließlich gemolken werden, gehören laut den Erfahrungen aus der Praxis zu den Effekten, die bei einer mutter- oder ammengebundenen Aufzucht möglich sind.

Warum werden Kuh und Kalb nach der Geburt getrennt?

Auf den meisten Milchviehbetrieben in Niedersachsen werden die Kälber innerhalb der ersten Stunden oder Tage von ihren Müttern getrennt. Das wird seit jeher so praktiziert, um Milch mit einer guten Qualität für den Verbraucher zu produzieren.

Die Trennung erfolgt so früh, da sich eine Bindung zwischen Kuh und Kalb erst nach längerer gemeinsamer Zeit vertieft. Je später die Trennung, desto stärker sind Trennungsschmerz und Stress bei Kuh und Kalb. Im neuesten My KuhTube-Film 698 greift Helmut aus dem Landkreis Gifhorn dieses Thema sehr anschaulich auf. Bei einer rechtzeitigen Trennung von Kuh und Kalb ist noch kein ausgeprägter Trennungsschmerz zu verzeichnen (FIBL, 2015). Außerdem sind die Ställe zurzeit für eine gemeinsame Kuh-Kalb-Aufzucht nicht ausgerichtet.

Durch die Trennung wird das Kalb zudem vor Krankheitserregern geschützt, die bei Kontakt mit Kotpartikeln der Kuh übertragen werden könnten. Das Immunsystem der Kälber ist nach der Geburt noch nicht widerstandsfähig. Die Produktion eigener Antikörper beginnt nur langsam innerhalb der ersten Lebenswochen. Im Leitfaden für Biosicherheit, der unter anderem von verschiedensten landwirtschaftlichen und tierärztlichen Institutionen entworfen wurde, wird bei Auftreten von infektiösen Krankheiten ausdrücklich auf eine Trennung von Kalb und Kuh nach der Geburt verwiesen. Deshalb ist eine keimärmere Umgebung, die Gabe von ausreichend Kolostralmilch in den ersten Stunden nach der Geburt und die anschließend optimale kontrollierte Versorgung der Tiere durch Milch und Futter in den ersten Lebenswochen essentiell für die Gesundheit der Kälber.

Die durch den Landwirt kontrollierte Gabe von ausreichend Kolostralmilch in den ersten Stunden nach der Geburt und die anschließende Versorgung der Tiere durch Milch und Futter gewährleistet zusätzlich Sicherheit für eine optimale Entwicklung. Kälber werden deshalb auf den Betrieben in den ersten zwei Lebenswochen entweder mit Sichtkontakt zu anderen Kälbern in einer Einzelbox gehalten oder paarweise aufgezogen. Anschließend kommen sie in Gruppenställe.

Welche Alternativen gibt es?

In einem Beitrag in der Fachzeitschrift Applied Animal Behaviour Science (Johnsen et al., 2016) werden beispielhaft vier Verfahren als Alternativen zu der konventionellen frühzeitigen Trennung von Kuh und Kalb untersucht und diskutiert. Dazu zählen neben Systemen mit uneingeschränktem Kontakt zwischen Kuh und Kalb der nur kurzzeitige tägliche Kontakt zum Säugen, der Kontakt halbtags über Tag oder in der Nacht, oder als vierte Variante die Ammenkuhhaltung, bei der eine Kuh bis zu vier Kälber säugt und nicht mehr gemolken wird.

Fazit

Es gibt derzeit wohl keinen Königsweg, der natürliche Verhaltensweisen, Tierwohl und betriebliche Anforderungen in optimaler Weise zur Deckung bringt. Im Hinblick auf die gesellschaftliche Wahrnehmung und die auch in der Landwirtschaft selbst erkennbaren Ansätze macht es zweifellos Sinn, sich auch weiterhin mit Alternativen zu befassen. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass die weitaus meisten Milcherzeuger bislang mit der frühzeitigen Trennung von Kuh und Kalb gute Erfahrungen machen.

DIALOG MILCH/LVN/Lahmann


Quellenangaben zum Beitrag

https://www.dialog-milch.de/trennung-von-kuh-und-kalb/

Busch G, Weary DM, Spiller A, von Keyserlingk MAG (2017) American and German attitudes towards cow-calf separation on dairy farms. PLoS ONE 12(3): e0174013. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0174013

Anonym, 2017: Umdenken in der Milchviehhaltung? Forscher untersuchen öffentliche Meinung zur frühen Trennung von Kühen und Kälbern. Presseinformation der Georg-August-Universität Göttingen, Nr. 54/2017 – 27.03.2017, https://www.uni-goettingen.de/de/3240.html?cid=5776,

FIBL, 2015 (Hrsg.): Mutter- und Ammengebundene Kälberaufzucht in der Milchviehhaltung. Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FIBL), 3. Überarbeitete Auflage, Frick, Schweiz.

Johnsen et al., 2016: Is rearing calves with the dam a feasable option for dairy farms?–Current and future research. In: Applied Animal Behaviour Science 181 (2016) 1–11.

Ansprechpartner für diesen Bereich

Harry Fritsch
Dipl.-Ing. agr. 
Leitung Qualitäts- & Umweltberatung
0511 / 85653-31
fritsch@milchland.de

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