Rückstände und Kontaminanten
Rückstände und Kontaminanten können in Lebensmitteln zu gesundheitsschädlichen Wirkungen führen. Im folgenden Text werden verschieden Rückstände und Kontaminanten vorgestellt und Maßnahmen, die in der Milchwirtschaft Niedersachsen umgesetzt werden, um diese zu verhindern. Maßnahmen wie HACCP-Konzepte und das Rohmilchmonitoring tragen wesentlich zu der hohen Sicherheit von Milch und Milchprodukten bei.
Wie können Rückstände und Kontaminanten in Milchprodukte gelangen?
Milch und Milchprodukte durchlaufen auf ihrem Weg vom Kuhstall bis in den Supermarkt verschiedenste Stationen. Währenddessen sind die Kühe und auch unsere Milch verschiedenen Umweltbedingungen ausgesetzt. Diese Umweltbedingungen können zum Beispiel dazu beitragen, dass die Inhaltsstoffe von Wasser oder das Gras, welches Kühe trinken bzw. fressen, verändert sind. So können sich beispielsweise Stoffe, die bei Verbrennungsprozessen entstehen, als Kontaminanten auf Pflanzenteilen (z. B. Blättern) befinden. Durch diese Umstände kann es dazu kommen, dass Rückstände und Kontaminanten aus der Umwelt über die Kuh in die Milch übergehen.


Maßnahmen in der niedersächsischen Milchwirtschaft um Rückstände und Kontaminanten zu vermeiden
EU-weite Rechtvorschriften
Damit Milch ein sicheres Lebensmittel ist, unterliegt sie in Deutschland und der EU verschiedensten Verordnungen, die Grenzwerte für Rückstände und Kontaminanten festlegen. Diese Grenzwerte sind stets so gewählt, dass sie weit unterhalb einer gesundheitsschädlichen Grenze für alle Personengruppen, auch z. B. Kinder und Schwangere, liegen. Sobald in Lebensmitteln, darunter auch Milch- und Milchprodukte, diese Grenzwerte überschritten werden, dürfen sie nicht mehr an den Endverbraucher abgegeben werden.
Im Folgenden werden einige mögliche Rückstände und Kontaminanten näher erläutert.1
Folgende Verordnungen sind Beispiele für grundlegende Vorgaben, welche Lebensmittelunternehmer einhalten müssen, um die Sicherheit unserer Lebensmittel zu gewährleisten:
Verordnung | Inhalt |
Verordnung (EG) Nr. 178/2002 | Lebensmittel müssen sicher sein, ansonsten dürfen sie nicht in den Verkehr gebracht werden. Lebensmittel gelten unter anderem als nicht sicher, wenn sie gesundheitsschädlich sind. |
Verordnung (EG) Nr. 852/2004 | Die Sicherheit eines Lebensmittels muss auf allen Stufen der Lebensmittelkette durch den Lebensmittelunternehmer gesichert sein. Lebensmittelunternehmer haben zur Risikobewertung mikrobiologische Kriterien und Temperaturkontrollerfordernisse festzulegen. Lebensmittelunternehmer müssen ein HACCP-Konzept anwenden. Dieses hält Kontaminationsrisiken entlang des Prozessweges eines Lebensmittels und Handlungen, die getroffen werden, um diese Risiken zu minimieren oder auszuschließen fest. |
Verordnung (EG) Nr. 853/2004 | Diese Verordnung enthält spezifische Hygienevorschriften für Lebensmittelunternehmen, die tierische Produkte verarbeiten. |
HACCP-basierte Verfahren
HACCP ist eine Abkürzung für „Hazard Analysis and Critical Control Points“ – auf Deutsch steht es für „Gefahrenanalyse und kritische Kontrollpunkte“. Lebensmittelunternehmen sind gesetzlich verpflichtet, HACCP-basierte Verfahren zu etablieren. Diese Verfahren dienen dazu, Lebensmittel sicher zu machen. Im Rahmen dieser Verfahren müssen mögliche Gesundheitsgefahren in Lebensmitteln (z. B. Rückstände und Kontaminanten) identifiziert und anschließend Maßnahmen festgelegt werden, die dazu dienen, das Vorkommen z. B. dieser gesundheitsschädlichen Stoffe in Lebensmitteln zu reduzieren, zu eliminieren oder zu verhindern, so dass keine Gesundheitsgefährdung von einem Lebensmittel ausgeht.
Rohmilch-Monitoring
Zusätzlich zu den EU-weit geltenden Rechtsvorgaben koordiniert die LVN in enger Zusammenarbeit mit den Molkereien, der Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt (LUFA) Nord-West und den Regionallaboren in Leer, Rehburg-Loccum und Verden das niedersächsische Rohmilch-Monitoring. Ziel des Rohmilch-Monitorings ist es, eventuelle Vorkommen von Rückständen und Kontaminanten in Rohmilch schon in einem sehr frühen Stadium aufzudecken, um so den Verursacher eventueller Belastungen sofort identifizieren zu können. Regelmäßig werden im Rahmen des Rohmilchmonitorings Proben direkt auf den Milcherzeugerbetrieben entnommen und untersucht. Wenn in einer Lieferantenprobe der gesetzliche Höchstwert überschritten wird, informiert die Molkerei den Milchlieferanten und weist ihn auf die Verpflichtung hin, die Grenzwertüberschreitung beim zuständigen Veterinäramt zu melden. Die Milchabholung des betroffenen Milchlieferanten wird dann zunächst eingestellt und erst dann wieder aufgenommen, wenn der Messwert bei Folgeuntersuchungen unter dem Grenzwert liegt. Das niedersächsische Monitoring ist Teil eines gemeinsamen Monitorings in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Die beteiligten Organisationen stimmen sich regelmäßig ab, um in diesen Bundesländern ein einheitliches Untersuchungsspektrum zu erreichen
Rückstände
Als Rückstände werden Reste von Stoffen bezeichnet, die bei der Erzeugung, Ver- und Bearbeitung von Lebensmitteln absichtlich angewendet werden und dadurch in/auf das Lebensmittel übergehen können.2 In der Milchwirtschaft relevante Beispiele sind:
- Pflanzenschutzmittel
- Tierarzneimittel
- Hemmstoffe, wie z.B. Desinfektionsmittel
Pflanzenschutzmittel
Pflanzenschutzmittel werden bei der Herstellung von Lebens- und Futtermitteln verwendet, um Nutzpflanzen vor Krankheiten und Schädlingsbefall zu schützen. Nach ihrer Anwendung sind geringe Rückstandsmengen in den behandelten Kulturen häufig nicht zu vermeiden.
Um sicherzustellen, dass Lebensmittel jedoch keine gesundheitsschädlich relevanten Rückstandsgehalte aufweisen, wird wissenschaftlich untersucht, wie sich die Behandlung mit Pflanzenschutzmitteln auf Lebensmittel auswirkt. Für Milch und Milchprodukte werden dazu Fütterungsversuche mit Kühen durchgeführt, um festzustellen, ob und in welchen Konzentrationen Rückstände von Futtermitteln in die Milch übergehen können. Anschließend werden anhand dieser wissenschaftlichen Ergebnisse Grenzwerte für Pflanzenschutzmittelrückstände in Lebens- und Futtermitteln festgelegt. Diese Grenzwerte werden stets so gewählt, dass sie auch für besonders gefährdete Personengruppen wie Kinder und Schwangere gelten. Außerdem gelten sie nicht nur in Deutschland, sondern in der EU.3,4
Eine Untersuchung des bayrischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) aus dem Jahr 2014 zeigte, dass es bei Milch- und Milchprodukten keine nennenswerten Unterschiede beim Gehalt an Pflanzenmittelrückständen zwischen ökologisch und konventionell produzierten Produkten gibt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass auch ökologisch erzeugte Futtermittel durch Umweltauswirkungen Pflanzenschutzmittelrückstände aufweisen können.5
Tierarzneimittel
Sollten Milchkühe sich mit Bakterien infiziert haben und keine andere Behandlungsmöglichkeit Wirksamkeit zeigen, setzen Tierärzte Arzneimittel, z.B. Antibiotika, ein. Sie versuchen den Einsatz jedoch weitgehend zu vermeiden. Ein prophylaktischer Einsatz von Antibiotika ist verboten. Außerdem darf Milch von Kühen, welche mit Antibiotika behandelt werden oder wurden, nicht in die Lebensmittelkette gelangen und weiterverarbeitet werden und kann somit nicht an den Endverbraucher abgegeben werden. Auch nachdem die Behandlung mit Antibiotika abgeschlossen ist, gibt es rechtlich bindende Fristen (sogenannte „Wartezeit“), in der die Milch nicht zu Lebensmitteln verarbeitet werden darf. Erst nach Ablauf der Wartezeit darf die Milch dann in die Lebensmittelkette gelangen. Damit wird ausgeschlossen, dass Antibiotikarückstände in Lebensmitteln vorkommen. 6,7,8
Zur Sicherstellung wird die Milch vor der Abholung auf dem Hof und danach in der Molkerei auf Rückstände getestet. Rückstände von Antibiotika würden die Milch unbrauchbar für z. B. die Produktion von Joghurt oder Käse machen, da die dafür benötigten Bakterien durch die Anwesenheit von Antibiotika-Rückständen absterben. Milch, in der Antibiotika nachgewiesen wurden, darf nicht als Lebensmittel verwendet werden. Die Grenzwerte werden vor der Zulassung eines Arzneimittels durch europaweite Studien von der Europäischen Arzneimittelagentur festgelegt.6,9
Hemmstoffe in Milch
Die so genannten Hemmstoffe fassen verschiedene mögliche Kontaminanten in Milch unter einem Begriff zusammen, die das Wachstum von mikrobiologischen Kulturen hemmen, verlangsamen oder verhindern können. Darunter fallen z. B. Rückstände von Antibiotika sowie von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln. Für all diese Stoffe gilt, dass die Milch regelmäßig auf diese Rückstände überprüft wird und Milch mit einem erhöhten Hemmstoffwert nicht an den Endverbraucher abgegeben werden darf. Hemmstoffe können neben der Gesundheitsgefährdung der Verbraucher auch Starterkulturen in der Molkerei zerstören (= „hemmen“) und somit großen wirtschaftlichen Schaden anrichten. Da bereits frühzeitig Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden, damit kontaminierte Milch nicht in die Molkerei und den Handel kommt, besteht für den Endverbraucher kein gesundheitliches Risiko.10
Kontaminanten
Kontaminanten sind Stoffe, die bei der Lebensmittelerzeugung nicht absichtlich eingesetzt werden. Sie können jedoch z.B. als Folge der Gewinnung, Verarbeitung, Verpackung, Beförderung, Lagerung oder infolge einer Verunreinigung durch die Umwelt im Lebensmittel vorhanden sein.11
In der Milchwirtschaft relevante Kontaminanten sind12:
- Natürliche Toxine wie z.B. Pflanzentoxine wie Alkaloide oder Mykotoxine
- Umweltkontaminanten (Umweltschadstoffe) wie z.B. Schwermetalle oder Dioxine
Natürliche Toxine
Die am häufigsten auftretende Art von Toxinen in Milch sind Mykotoxine. Mykotoxine sind eine Reihe von Stoffwechselprodukten verschiedener Schimmelpilze. Diese können pathologische Veränderungen bei Menschen und Tieren hervorrufen. Diese Toxine könne entweder direkt auf dem Lebensmittel wachsen oder sie gelangen zum Beispiel durch belastete Futtermittel in den tierischen Organismus und später in die Milchprodukte. Von besonderer Bedeutung im Bereich der Milch und Milchprodukte ist die Kontamination mit Aflatoxinen. Die Aflatoxin-bildenden Schimmelpilze können gut auf Futtermitteln wachsen, wenn diese unter warmen und feuchten Bedingungen gelagert werden. Dies betrifft meist importierte Futtermittel aus Ländern mit einem subtropischen Klima und weniger in Deutschland hergestellte Futtermittel. Um sicherzustellen, dass über Milch und Milchprodukte keine gesundheitsschädlichen Mengen an Aflatoxinen aufgenommen werden, gibt es auch hier einen Grenzwert. Zudem gelten in Deutschland verschärfte Höchstmengen für Säuglingsnahrung.9
Umweltkontaminanten
Umweltkontaminanten sind Kontaminanten die durch die Umwelt, zum Beispiel Wasser, Boden oder Luft in ein Lebensmittel gelangen. Die relevantesten Umweltkontaminanten in Deutschland sind Polychlorierte Biphenyle (PCBs), Dioxine und Schwermetalle. Diese Substanzen gelangen vor allem über kontaminierte Futtermittel in Milch und Milchprodukte. Seit den 1980er Jahren werden Maßnahmen zur Verminderung der Freisetzung von Dioxinen und PCBs getroffen, wodurch eine stetige Abnahme der Konzentration in Milch und Milchprodukten zu beobachten ist. Auch für die oben genannten Umweltkontaminanten gibt es strenge Grenzwerte, die nicht überschritten werden dürfen.9
Quellen:
2Lebensmittelverband Deutschland (2024); Sicherheit und Recht: Rückstände
3Verordnung (EG) Nr. 296/2005 vom 11.05.2024
4Rückstands-Höchstmengenverordnung – RHmV vom 16.07.2020
5LGL (2014); Konventionell und ökologisch erzeugte Milch im Vergleich
7Verordnung (EU) 2019/6 vom 28.01.2022
8Tierarzneimittelgesetz – TAMG vom 28.01.2022
9Erwin Märtlbauer und Heinz Becker (Hg.) (2016) Milchkunde und Milchhygiene. Eugen Ulmer, Stuttgart
10Landeskontrollverband Weser-Ems (2024); Bedeutung von Hemmstoffen