Die Sicherheit von in Deutschland gekauften Lebensmitteln schätzen Verbraucherinnen und Verbraucher zu 50 Prozent als (sehr) sicher ein.
Knapp 35 Prozent erachten in Deutschland gekaufte Lebensmittel als mittelmäßig sicher und gute 15 Prozent bewerten diese als (gar) nicht sicher. Das geht aus dem aktuellen Verbrauchermonitor 2023 hervor, einer regelmäßigen repräsentativen Umfrage des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR).
Auch beim Konsum von Milch und Milchprodukten spiegelt sich eine gewisse Unsicherheit bei der deutschen Bevölkerung wider. Dr. Jan-Hendrik Paduch, seit 1. Juli 2023 Geschäftsführer der Landesvereinigung der Milchwirtschaft Niedersachsen e.V. (LVN), lehrte zuvor als Professor für Lebensmittelsicherheit und Lebensmittelqualität an der Staatlichen Studienakademie Plauen. Als Experte für Lebensmittelsicherheit gibt er im Nachfolgenden eine Einschätzung zur aktuellen Situation in Deutschland.
Herr Dr. Paduch, wie erklären Sie sich, dass nur die Hälfte der deutschen Bevölkerung die in Deutschland gekauften Lebensmitteln als (sehr) sicher einschätzen? Welche Verunsicherungen herrschen beim Konsum von Milch und Milchprodukten?
Dr. Jan-Hendrik Paduch: Generell wirken Medienberichte über einzelne Lebensmittelskandale, z. B. „Gammelfleisch“-Skandale oder Listerien in Fleischerzeugnissen, bei Verbraucherinnen und Verbrauchern nachhaltig nach. Damit entsteht subjektiv ein ganz anderer Eindruck der Lebensmittelsicherheit in Deutschland, als dies real der Fall ist: Im Jahr 2022 wurden in Deutschland 211 lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche an die Behörden übermittelt. Bezogen auf die Bevölkerungszahl von über 80 Millionen Menschen und in der Regel mehrere Mahlzeiten, die wir pro Tag zu uns nehmen, ist dieser Wert meines Erachtens sehr gering. Allerdings werden auch nicht alle Fälle gemeldet. Zu der Verunsicherung der Verbraucherinnen und Verbraucher trägt auch bei, dass wir chemische Stoffe oder Mikroorganismen in Lebensmitteln mit unseren menschlichen Sinnen in der Regel nicht wahrnehmen können. Auf der anderen Seite unterschätzen Verbraucherinnen und Verbraucher jedoch das Risiko, das beim Umgang mit Lebensmitteln im privaten Umfeld auftritt: so wird im häuslich-privaten Bereich die Kühlkette häufig nicht ausreichend eingehalten oder es treten Kreuzkontaminationen zwischen rohen und erhitzen Lebensmitteln auf, in deren Folge nach dem Verzehr Erkrankungen auftreten.
Beim Konsum von Milch und Milcherzeugnissen können wir allerdings auch beobachten, dass Fragen der Lebensmittelsicherheit zunehmend von Themen wie Tierwohl, Nachhaltigkeit und Regionalität abgelöst werden.
Sind in der Milch tatsächlich Antibiotikarückstände oder sogar „Eiter“ zu finden, wie manche Menschen glauben?
Dr. Jan-Hendrik Paduch: Das Thema Lebensmittelsicherheit nimmt sowohl im EU-Recht als auch im nationalen Lebensmittelrecht eine zentrale Bedeutung ein. So müssen Lebensmittel, die in den Handel gelangen, sicher sein. Milch ist ein Lebensmittel, dass sehr intensiv untersucht wird. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass sich verschiedene krankmachende (pathogene) Mikroorganismen recht gut in Milch vermehren können. Daneben spielte Milch früher auch in Deutschland eine wichtige Rolle bei der Übertragung des Erregers der Tuberkulose von der Kuh auf den Menschen.
Heutzutage ist es rechtlich vorgeschrieben, dass bereits vor dem Melken überprüft werden muss, ob die Kuh, die gemolken wird, gesund und die Milch optisch unverändert ist. So wird ausgeschlossen, dass sich Eiter in der Milch befindet. Danach schließen sich zahlreiche Untersuchungen der Rohmilch, aber auch von Zwischen- und Endprodukten an, um eine hohe Lebensmittelqualität und die Sicherheit der Lebensmittel zu gewährleisten.
Auch für die Anwendung von Tierarzneimitteln bei lebensmittelliefernden Tieren gibt es strenge rechtliche Auflagen. So darf die Milch von behandelten Tieren innerhalb einer bestimmten Zeit, der sogenannten Wartezeit, nicht in die Lebensmittelkette gelangen. Zusätzlich stehen Milchkuhbetrieben Untersuchungssysteme zur Verfügung, um sicherzustellen, dass keine Antibiotika in der Milch vorhanden sind. Daneben wird die Anlieferungsmilch regelmäßig durch externe Labore auf antibiotisch wirkende Substanzen untersucht. Zusätzlich gibt es dann noch Monitoringprogramme der Milchwirtschaft (z. B. niedersächsisches Rohmilchmonitoring), bei denen regelmäßig Rohmilchproben auf Rückstände und Kontaminanten, die bei uns Menschen zu einer Gesundheitsgefährdung führen könnten, untersucht werden.
Wie Sie bereits oben angeführt haben, wird die Milch vor der Verarbeitung sehr sorgfältig kontrolliert. Welche Prozesse und Kontrollen finden bei der Milchverarbeitung statt, die zu einem sicheren Milchprodukt führen?
Dr. Jan-Hendrik Paduch: Grundsätzlich sind einzig die Lebensmittelunternehmer dafür verantwortlich, dass die von ihnen hergestellten und in Verkehr gebrachten Lebensmittel sicher sind und nicht zu einer Gesundheitsbeeinträchtigung der Verbraucherinnen und Verbraucher führen. So finden daher auf Molkereiebene weitere Untersuchungen der Anlieferungsmilch, aber auch der Zwischen- und Endprodukte statt. Ein Teil der Untersuchungsparameter ist gesetzlich geregelt. Häufig werden durch die Lebensmittelhersteller weitere Parameter auf Basis einer Risikoanalyse in die sogenannten betrieblichen Eigenkontrollen aufgenommen.
Ein wichtiger Ansatz zur Erreichung einen hohen Lebensmittelsicherheit stellen HACCP-basierte Verfahren dar, deren Einrichtung rechtlich gefordert ist. Die Abkürzung steht für hazard analysis and critical control points. Im Rahmen dieser Verfahren müssen Unternehmen mögliche Gesundheitsgefahren, die in ihren Produkten auftreten könnten, bereits im Vorfeld identifizieren und Maßnahmen definieren, mit denen diese gesundheitlichen Gefahren vermieden, beseitigt oder reduziert werden. Dies können beispielsweise Erhitzungsschritte sein oder die Nutzung eines Metalldetektors.
Durch die Lebensmittelüberwachungsbehörden werden die Herstellung und der Vertrieb von Lebensmitteln mit dem Ziel des Verbraucherschutzes kontrolliert. Im Rahmen dieser amtlichen Betriebskontrollen werden häufig Proben entnommen, um wiederum die Kontrollsysteme der Lebensmittelbetriebe zu überprüfen.
Laut Ihren Ausführungen unterliegen Milch und Milchprodukte umfassenden Kontrollen und man kann sie ohne Bedenken verzehren?
Dr. Jan-Hendrik Paduch: Absolut! Milcherzeugerbetriebe und Molkereien arbeiten eng zusammen, um sicherzustellen, dass der Verbraucherschutz gewährleistet wird. Meiner Meinung nach waren die Lebensmittel aufgrund der Vielzahl an Kontrollmaßnahmen noch nie so sicher wie heute.
Wir von der LVN bedanken uns herzlich bei Dr. Jan-Hendrik Paduch für das Interview.
LVN/Krause
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